FWF-Projekt: Die Nagara Tempel Architektur in Himachal Pradesh: Form, Geometrie und Konstruktion

Der Nagara Tempel ist typologisch gesehen ein sakraler Zentralbau, der sich auf einem geometrischen Grundrissraster, der sich von grundlegenden Hindu-Mandalas ableitet, aufbaut. Hauptmerkmal ist der gekurvte, meist lang gestreckte, Shikara-Turm, der als oberer Bauwerksteil über der Kultkammer (garbha grha) errichtet wurde. Seine durchwegs sorgfältige und detailreiche Struktur trägt wesentlich zum skulpturalen Charakter dieses architektonischen Typus bei. Technisch gesehen resultiert dies aus einer modularen Bauweise basierend auf standardisierten Konstruktionskomponenten und dekorativ-formalen Elementen aus Stein, die den Rhythmus der Form bestimmen. Folglich basiert die form des Nagara Tempels aus dem Zusammenspiel von Mandalagrundriss und einem ausgeklügelten vertikalen Proportionssystem. Während umfangreiche Studien zu Grundrissen und deren Geometrien vorliegen, fehlt es fast vollständig an Daten zum vertikalen Aufbau, was vermutlich an der vergleichsweise schwierigen Vermessung des meist hohen Aufbaus liegt. Folglich fehlt es an Schnitten und Ansichten, die für ein Studium wesentlicher architektonischer Aspekte wie der Konstruktion und des Proportionssystems unerlässlich sind; weshalb das Wissen über diesen ausgefeilten Gebäudetypus sehr lückenhaft ist. Ziel des beantragten Projekts ist die vollständige Baudokumentation ausgewählter Nagara Tempel in den Tälern der Vorgebirge des westlichen Himalaya, heute im indischen Bundesstaat Himachal Pradesh gelegen, wo eine für eine Vergleichsstudie ausreichende Anzahl dieser Bauwerke in vergleichsweise gutem Zustand erhalten geblieben ist. Die Vermessung wird mit analogen und digitalen Mitteln durchgeführt inklusive Photogrammetrie. Mittels Vergleichsstudie werden die Gesetzmässigkeiten und Gestaltungsprinzipien untersucht. Weiters werden die Zusammenhänge von strukturellen und konstruktiven, sowie formalen (ästhetischen) Konventionen, und funktionalen Aspekten sowie deren Einfluss auf die Gesamtform untersucht. Ziel ist daher die Rekonstruktion und Ableitung der Entwurfsparameter, d.h. die Wechselwirkung und Abhängigkeit von Geometrie, modularer Bauweise sowie standardisierten Abmessungen und Formen der einzelnen Komponenten. Dazu wird Shape Grammar, eine speziell für Parametric Modelling und Design entwickelte Software für diesen analytischen Prozess adaptiert. Die Studie wird daher wesentlich mittels digitalisierter 3D-Modelle durchgeführt. Konstruktive Elemente werden parametrisch definiert. Die parametrischen Daten werden mit den allgemeinen Ergebnissen der Konstruktionsstudien abgeglichen. Basierend auf den abgeleiteten Gesetzmässigkeiten wird eine „generation machine“ programmiert, durch die sämtliche Schritte des Konstruktionsprozesses nachgestellt und visualisiert werden. Diese Methode ermöglicht die Untersuchung aller grundlegenden typologischen Muster, die allen Bauwerken gemeinsam sind, und erlaubt gleichzeitig die Rekonstruktion jedes einzelnen Bauwerks hinsichtlich architektonischer Form und Konstruktion. Weiters werden alle relevanten ikonografischen und dekorativen Elemente erfasst und so als Teil des architektonischen Gesamtsystems anderen Forschungsgebieten (Indologie, Kunsteschichte, etc.) zugänglich gemacht. Methodisch werden damit in diesem Projekt die Potentiale zeitgemäßer, digitaler Architekturdokumentation und Darstellung mit den Fachbereichen indische Baukunst und Kulturgeschichte zusammengeführt.

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